Die Pollensaison startete in diesem Jahr deutlich früher und zudem auch heftiger als in den Jahren davor. Expertinnen und Experten des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien und der Informationsplattform IGAV [Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung] prognostizieren, dass sich diese Entwicklung im Lauf der diesjährigen Pollensaison weiter fortsetzt. Dazu kommt, dass die Pandemie die ohnehin oft ungenügende Versorgung von Betroffenen weiter ausbremst. Neue Maßnahmen sollen Verbesserungen in Diagnose und Therapie von Pollenallergien bringen.
Deutlich weniger Immuntherapien
Wie eine EU-weite Befragung von Ärztinnen und Ärzten zeigt, kam vor allem zu Beginn der Pandemie die für so viele Patientinnen und Patienten wichtige allergen-spezifische Immuntherapie [AIT] deutlich weniger zum Einsatz als davor.[1] „Die AIT ist jedoch die einzige Behandlungsform, die ursächlich wirkt und das Potenzial hat, die Entstehung weiterer Allergien oder Folgeerkrankungen wie Asthma zu verhindern“, sagt Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie [ÖGAI].
Verschoben auf „…einen Zeitpunkt nach der Pandemie“
Nur eine•r von zehn ÄrztInnen initiierte die Injektionskur wie gewohnt. Fast 60 Prozent gaben an, den Beginn der Therapie auf einen Zeitpunkt nach der Pandemie verschoben zu haben. Etwas besser war die Situation bei der AIT in Form von Tabletten oder Tropfen: Rund ein Drittel [35 Prozent] sagte, die Therapie unabhängig von der Pandemie einzuleiten.
„Inzwischen hat sich die Lage zwar gebessert, aber den entstandenen Rückstau spüren Behandler•innen und Patient•innen nach wie vor„, berichtet Wolfram Hötzenecker, Vorstand der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Kepler Universitätsklinikum Linz und ÖGAI-Vizepräsident. „Allergikerinnen und Allergiker müssen deutlich länger als üblich auf Termine in spezialisierten Zentren warten. Dazu kommen die Ausfälle des Gesundheitspersonals durch die aktuelle hochansteckende Omikron-Variante.“
Starke Belastung durch Birkenpollen erwartet
Neben den pandemiebedingt verschärften Bedingungen traten die Belastungen für die Pollenallergiker•innen heuer aufgrund der überdurchschnittlich milden Temperaturen im Jänner und Februar früher und intensiver auf. „Der Pollenflug von Hasel und Erle setzte sehr plötzlich ein. So gaben die Bäume und Sträucher überdurchschnittlich viele Pollen an den Wind ab, was für Allergiker•innen besonders belastend war“, erläutert Uwe Berger von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen und Ohrenkrankheiten der MedUni Wien und Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien.
Die nächste Belastungswelle folgt mit Esche und Birke. Auch ihre Blüte wird heuer voraussichtlich intensiver ausfallen. „Der Start der Birkenpollensaison ist heuer in der letzten Märzwoche zu erwarten und damit ebenfalls früher als üblich,“ so Uwe Berger. Der weit verbreitete Alleebaum hat ein biologisches Muster: einer schwächeren Saison folgt eine starke. „Nachdem 2021 eine eher milde Saison war, müssen wir heuer mit einer starken Pflanzenblüte rechnen. Dies zeigt auch der Besatz an Birkenkätzchen, der heuer überdurchschnittlich stark ist.“
Neue Services für Allergiker•innen und Ärzt•innen
Um Verbesserungen in der Diagnose und Therapie von Pollenallergien zu erreichen, wurden nun beim Österreichischen Pollenwarndienst neue Services für Patient•innen und Ärzt•innen gestartet: „Über die Plattform www.pollenallergie.at können behandelnde Ärzt•innen auf Symptom-Informationen ihrer Patientinnen und Patienten zugreifen und eine Verbindung zum Pollenflug in der jeweiligen Region der Betroffenen herstellen„, erklärt Markus Berger vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung und Österreichischen Pollenwarndienst der MedUni Wien.
Basis für dieses Service sind die regelmäßigen Einträge der Patient•innen zu ihren Allergie-Beschwerden in das Pollentagebuch, das auf www.pollentagebuch.at zu finden und Teil der Pollen-App ist. „Dieses Service bringt Ärzt•innen wertvolle Information und spart Zeit„, ist Wolfram Hötzenecker sicher. „Denn wenn die Behandler•innen wissen, auf welches Allergen ihre Patient•innen reagieren, können sie ein zielgerichtetes Anamnesegespräch führen und ihre Therapieentscheidung zusätzlich absichern. Zudem kann damit über die Jahre der Behandlungserfolg evaluiert werden.“
Je mehr Nutzer•innen ihre Beschwerden in das Pollentagebuch eintragen, desto zielgerichteter können die Angebote des Österreichischen Pollenwarndienstes ausfallen. So gibt die Pollen-App stets einen raschen und individuellen Überblick, wo und in welchem Ausmaß die zwölf wichtigsten Allergieauslöser gerade in der Luft sind. Dieses Angebot wird auch laufend weiterentwickelt. Aktuell wurde für eine leichtere Lesbarkeit gesorgt. Außerdem wurde ein FAQ-Bereich eingerichtet. Neu kann die Polleninformation nun auch über den Instant-Messaging-Dienst Telegram bezogen werden.
Neue Ausbildung zu Allergie-Expert•innen startet
Mit der kontinuierlich steigenden Zahl an Pollen-Allergiker•innen wächst auch der Bedarf an Spezialist•innen, die sich mit der Diagnose und Behandlung dieser Erkrankung auskennen. Die neue, fächerübergreifende Ausbildung „Spezialisierung in Allergologie“ soll hier Abhilfe schaffen. Ab Sommer können Fachärzt•innen und Allgemeinmediziner•innen mit der 18 Monate dauernden Weiterbildung beginnen. „Ein Lichtblick für die wachsende Zahl an Allergiker•innen in unserem Land, die fachkundige Ärzt•innen dringend brauchen“, so Wolfram Hötzenecker.
Linktipps
www.pollenwarndienst.at – Individuelle Pollenbelastung, Download Pollen-App, Online-Selbsttest etc.
www.pollenallergie.at – Neues Service für Ärzt•innen
www.allergenvermeidung.org – Informationsplattform für Allergiker•innen
[1] Pfaar O. et al. COVID‐19 pandemic and allergen immunotherapy – an EAACI survey. Allergy March 2021.
(Bilder: AdobeStock, Pollenwarndienst.at/ Katharina Bastl; Grafik: Pollenwarndienst.at)