Rund eine Million Menschen leidet in Österreich an Migräne. Das entspricht etwa 13 Prozent der Bevölkerung. Doch viele der Betroffenen verfügen über keine eindeutige Diagnose und versuchen, die Symptome fälschlich nur mit Schmerzmitteln zu behandeln. Selbsthilfeorganisationen wie etwa „Kopfweh Österreich“ rufen Betroffene auf, sich nicht mit Migräne abzufinden, sondern sich aktiv über neue therapeutische Ansätze zu informieren, um die für sie richtige Therapie zu finden.
Wirksame Therapie nach eindeutiger medizinischer Diagnose
Jede bzw. jeder Achte hat regelmäßig Migräne und ist mit schweren Symptomen wie pochenden Schmerzen, Lichtempfindlichkeit und Übelkeit konfrontiert – wobei Frauen ab der Pubertät und insbesondere zwischen 30 und 50 Jahren hormonell bedingt [durch den Östrogenabfall] bis zu drei Mal so häufig betroffen sind wie Männer. Trotzdem gehen viele den Krankheitsanzeichen nicht auf den Grund, versuchen mit Schmerzmedikamenten über die Runden zu kommen und behandeln deshalb Migräne nicht zielgerichtet.
„Migräne wird in Österreich immer noch viel zu oft als starker Kopfschmerz abgetan und nicht als Erkrankung erkannt“, weiß Mag. Erika Sander, Generalsekretärin der Österreichischen Gesellschaft vom Goldenen Kreuze [ÖGGK]. „Viele Patient•innen haben ihre Symptome nicht untersuchen lassen und nehmen die wiederkehrenden Ausfälle in Beruf sowie Sozialleben einfach hin. Dabei gibt es längst wirksame Therapien. Nur braucht es vorher eine eindeutige medizinische Diagnose.“

Migräne wird leider oft nicht ernstgenommen und bagatellisiert
„Kennen sie das Gefühl, wenn wieder einmal jemand sagt: ‚Das ist doch nur Kopfweh‘?“ Diese Frage stellt Kassandra Steiner, Leiterin von „Kopfweh Österreich – Wien“. Sie spricht damit vielen Betroffenen aus der Seele:
„Die Bagatellisierung von Migräne ist ein weit verbreitetes Problem, das nicht nur zu Missverständnissen im sozialen Umfeld führt, sondern auch dazu, dass sich Menschen mit Migräne oft nicht ernst genommen fühlen. Wird dieses Leiden aber nicht ernst genommen, sucht man auch keinen Arzt auf, sondern versucht, die Schmerzattacken mittels Eigenmedikation in den Griff zu bekommen. Dadurch steigt einerseits die Gefahr, einen sogenannten Medikamentenübergebrauchskopfschmerz zu entwickeln, andererseits, dass die Erkrankung fortschreitet und sich eine chronische Migräne etabliert. Und mit der Häufigkeit der Attacken nehmen auch Begleitsymptome wie Angst und Depressionen zu. Ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss: Durch eine möglichst frühzeitige Diagnose und eine gezielte, wirksame Therapie.“
Symptome oft unterschätzt
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende, meist einseitige, pulsierende Kopfschmerzen gekennzeichnet ist. Zudem können weitere Symptome auftreten, zum Beispiel Übelkeit, Sehstörungen oder Missempfindungen wie Kribbeln auf der Haut. Unbehandelt halten die Beschwerden zwischen vier Stunden und drei Tagen an. Eine Migräne schränkt den Alltag meist erheblich ein. Manche Menschen haben nur gelegentlich einen Migräneanfall. Andere sind jeden Monat für mehrere Tage außer Gefecht gesetzt. Die genauen Ursachen von Migräne sind nicht bekannt. Hormonelle Schwankungen, Stress oder Schlafmangel können ebenso Auslöser sein wie bestimmte Nahrungsmittel.
Appell an Betroffene: Nicht aufgeben – immer wieder beim Arzt oder bei der Ärztin über neue Therapien informieren!
Ein Problem ist, dass viele Betroffene sagen: „Ich war vor Jahren bei einem Spezialisten und der hat mir nicht helfen können. Es hat also eh keinen Sinn.“ Diese resignierte Haltung führt dazu, dass sich viele Menschen jahrelang mit ihren Beschwerden abfinden, ohne erneut ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Das ist der falsche Ansatz“, betont Steiner und appelliert: „Unbedingt [wieder] zum Arzt gehen! Die medizinische Forschung ruht nicht, und was vor wenigen Jahren noch als aussichtslos galt, kann heute dank moderner Therapien zu einer spürbaren Verbesserung führen. Es gibt laufend neue Entwicklungen und neue Medikamente zur Akuttherapie sowie zur Prophylaxe, und eigentlich sollte jeder Migräne-Betroffene die für ihn optimale Behandlung erhalten.“
Vorbeugende Medikamente reduzieren Zahl und Stärke von Migräneattacken
In den letzten Jahren wurden neue Erkenntnisse zum Verständnis der Entstehung von Migräne gewonnen, wodurch sich im Bereich der Therapie viel getan hat. Vor allem bei der Migräneprophylaxe, also der vorbeugenden Therapie, die die Anzahl und Stärke der Migräneattacken reduziert. Diese Therapieform hat sich in den letzten Jahren etabliert und als besonders hilfreich herausgestellt.
Und mit der Entwicklung der modernen CGRP-Antikörper gab es hier eine wesentliche Neuerung: Früher kamen zur Vorbeugung von Migräneattacken Medikamente zum Einsatz, die eigentlich gegen andere Erkrankungen – beispielsweise gegen Bluthochdruck, Depression oder Epilepsie – entwickelt worden waren. Man hatte zufällig entdeckt, dass sie auch Zahl und Stärke von Migräneattacken reduzieren können. Allerdings sind sie mit den für die jeweilige Medikamentengruppe spezifischen Nebenwirkungen behaftet.
Migräneprophylaxe mittels CGRP-Antikörper ist gut verträglich und sehr wirksam
„Heute haben wir glücklicherweise wirklich gut verträgliche und wirksame Medikamente zur Migräneprophylaxe zur Verfügung, die spezifisch wirken. Das heißt, sie wurden gezielt gegen Migräne entwickelt und greifen in den Mechanismus ein, der eine Migräneattacke auslöst. Diese CGRP-Antikörper können die Zahl und Stärke der Migräneattacken deutlich reduzieren und die Betroffenen ersparen sich viel Leid“, erläutert Steiner erfreut.
Aber auch nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Entspannungstechniken, regelmäßiger Schlaf und Bewegung können helfen. Ein Migräne-Tagebuch unterstützt zudem, individuelle Auslöser zu identifizieren und die Therapie zu optimieren.
Vierteljährlich oder einmal im Monat – Infusion oder Pen
Es gibt verschiedene Verabreichungsformen der Migräneprophylaxe. Je nach den persönlichen Bedürfnissen und Lebensumständen kann die passende Verabreichungsform gewählt werden: Eine Spritze monatlich als Fertigpen oder eine Infusion, die nur vier Mal im Jahr verabreicht wird.
Was Betroffene oft nicht wissen: Eine Migräneprophylaxe soll nicht „nur“ die Lebensqualität verbessern, indem die Zahl der Schmerztage und die Stärke der Migräneattacken reduziert wird, sondern sie soll auch den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
„Für uns Betroffene sind nicht nur die Migräneanfälle selbst qualvoll. Auch die Angst vor der nächsten Attacke beeinträchtigt unser Leben mitunter massiv. Eine wirkungsvolle prophylaktische Therapie, auf die man vertrauen kann, ist daher für viele Betroffene sehr wichtig“, schließt Steiner den Kreis.
Für frühe Diagnose und bestmögliche Behandlung auf Migräne spezialisierte Neurolog•innen aufsuchen
Doch vor der Verabreichung von Medikamenten muss zuerst einmal die richtige Diagnose gestellt werden – beispielsweise völlig niederschwellig mit einem ersten Migräne-Check unter https://www.oeggk.at/aktiv-gegen-migraene/. Frühe Diagnose und möglichst baldige und effektive Behandlung vermeiden nicht nur viel Leid, sondern beeinflussen auch den Krankheitsverlauf günstig. „Doch es ist gar nicht so leicht, den richtigen Arzt oder die richtige Ärztin zu finden. Viele Patienten suchen jahrelang nach einer wirksamen Behandlung“, weiß Steiner aus Erfahrung in der Selbsthilfeorganisation „Kopfweh Österreich“.
„Ich kenne Betroffene, die über Jahre hinweg mit Nacken- und Kopfschmerzen vom Orthopäden zum Masseur, zum physikalischen Mediziner, zum Physiotherapeuten und wieder zum Orthopäden gingen, ohne die Diagnose Migräne und eine wirklich adäquate ursächliche Behandlung zu erhalten.“ Sie rät, bei Schmerzen im Kopf-Nackenbereich immer einen Facharzt aufzusuchen. „Am besten einen auf Migräne spezialisierten Neurologen, denn dieser wird nicht nur die Diagnose frühzeitig stellen, sondern ist auch bezüglich der Behandlung am neuesten Stand der Wissenschaft“, so Steiner.

Appell zu mehr Awareness für Migräne
Aus Anlass des Weltkopfschmerztages fordert „Kopfweh Österreich“ dazu auf,
- Migräne als ernstzunehmende Erkrankung anzuerkennen und nicht als gewöhnliche Kopfschmerzen abzutun.
- Betroffene zu ermutigen, [erneut] ärztliche Hilfe zu suchen und sich nicht mit alten Erfahrungen zufriedenzugeben.
- sich an Spezialist•innen – insbesondere Neurolog•innen mit Migräne-Expertise – zu wenden.
- sich über neue Behandlungsmöglichkeiten und Migräneprophylaxe zu informieren.
- gesellschaftliches Verständnis und Solidarität für Migräne-Betroffene zu fördern.
Selbsthilfeorganisation „Kopfweh Österreich“: Gemeinsam gegen Migräne – Information, Unterstützung und Vernetzung
Kassandra Steiner fasst zusammen: „Migräne ist eine Erkrankung, die die Lebensqualität massiv beeinflusst. Aber es gibt für jede und jeden Hoffnung – durch neue Medikamente, innovative Behandlungsansätze und eine immer bessere Diagnostik. Es gibt heute mehr Möglichkeiten denn je, Migräne wirksam zu behandeln und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zu verbessern. Doch viele Betroffene wissen gar nicht, welche Möglichkeiten ihnen offenstehen. Die Selbsthilfeorganisation ‚Kopfweh Österreich‘ bietet daher umfassende Information, vermittelt Adressen und Kontakte, bietet Informationsveranstaltungen – und steht Betroffenen mit persönlicher Beratung zur Seite.“
Informationen und Möglichkeit zum Austausch gibt es unter anderem auf der Website, Facebook und Instagram.
(Bilder: AdobeStock)